950 000 Euro Fördergelder verblasen – Itter schäumt weiter

Die geplante zentrale Abwasser-Entsorgungsanlage für die bergischen Galvanik-Betriebe wird der Industrie zu teuer, berichtet die Rheinische Post. So wird weiter jeder für sich weitermachen – zu Lasten der Umwelt und der Steuerzahler, und auf Kosten der Gesundheit der Menschen.
Wir erinnern uns:
Die Kläranlage an der Itter in Solingen-Gräfrath war jahrelang praktisch wirkungslos, weil der Belebtschlamm, der normalerweise das Abwasser reinigt, sich immer wieder auflöste, und dann in die Itter ausgeschwemmt wurde.  Das führte zu dicken Schaumteppichen auf dem Bach, der die südliche Stadtgrenze nach Solingen bildet, und gab zusätzlich Wirbel in Funk und Fernsehen: als wir seinerzeit mal bei der Umweltkripo in Mettmann nachgefragt hatten, wie es sich damit eigentlich verhält, gab es eine ganze Reihe von Presseartikeln und Fernsehauftritten. Die Itter war auf Haaner Gebiet mausetot, Eisvogel, Bachforelle und die Kleintierwelt geflüchtet oder gestorben. Der (Klär)Schlamm aus dem Teich an der Heidberger Mühle wurde vom Bergisch-Rheinischen Wasserverband (BRW) eilig und unter hohem Aufwand abgepumpt und abgefahren. Nach etlichen Monaten kam dann heraus was sowieso schon jeder wußte: Ein Tensid, und zwar ein besonders giftiges, war im Wasser – PFT.
PFT, der Name umfasst eine ganze Stoffklasse, etliche davon stehen im Verdacht krebserregend zu sein, und PFT ist angeblich unverzichtbar, wenn man Metall billig verchromen oder verzinken will: Perfluorierte Tenside (PFT) bilden einen hitzestabilen Schaum, der in Verzinkereien und Verchromungsbetrieben als Netzmittel eingesetzt wird, damit das geschmolzene Metall nicht verdampft und / oder stark abkühlt und sich mit seinem Untergrund besser verbindet. Die Chemikalien sind auch in vielen Textilien enthalten, z.B. in regendichten Jacken, und ausserdem noch im Löschschaum der Feuerwehr. PFTs reichern sich im Körper an und haben in NRW vor allem deshalb Furore gemacht, als sie im Trinkwasser einiger Talsperren im Sauerland auftauchten: die Bauern der Umgebung hatten Klärschlamm auf ihre Felder gepackt.
Aber zurück zur Itter: Die Kripo ermittelte eine Weile gegen den Solinger Galvanikbetrieb, der die Chemikalie PFT in die Kläranlage einleitete. Dabei kamen einige unappetitliche Details zu Tage: So transportierte ein großer Solinger Gummibärchenfabrikant jahrelang sein Abwasser aus der Produktion per Tankwagen in besser ausgerüstete Kläranlagen in der Rheinebene. Die Stadt Düsseldorf hatte zwischenzeitlich den Itter-Zulauf zum Horster Flutgraben kurzzeitig abgesperrt und dies mit der schlechten Wasserqualität begründet. Der Flutgraben mündet in den Garather Mühlenbach, und der fließt durch die Urdenbacher Kämpe, immerhin ein FFH-Gebiet, in dem in den nächsten Jahren weitere Millionen zur Entwicklung einer naturnahen Flussaue ausgegeben werden.
Die Chefetage des Bergisch-Rheinischen Wasserverbandes machte seinerzeit bahnbrechende Vorschläge zur Vermeidung von Risiken, und auch der Chef des Düsseldorfer Umweltamtes glänzte durch Bemerkungen, man solle seinen Hund nach dem Bad in der Itter halt eben mit der Dusche abspülen. Damals war der Umweltminister schwarz und hieß Uhlenberg, und betätigte sich gleichfalls als Nebelwerfer, war er doch wegen der PFT-Affäre mächtig unter Druck geraten . Übrigens machte das Uhlenberg-Ministerium und die Trinkwasserverbände (die legen nachher die Kosten auf die Wassergebühren um) damals angeblich 120 Millionen Euro für die gründliche Kontrolle locker.
Auch an der Itter wurde reichlich Geld verblasen: Gutachter erstellten Studien, es entstand eine technische Vorkonzeption, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften entwickelten mehrere Szenarien, am Ende stellte sich wundersamer Weise heraus: Eine Anlage die das Problem löst kostet Geld! Diese wichtige Erkenntnis kostete in den letzten Jahren angeblich alleine 950.000 Euro, die in Beratungsgesellschaften, Planungsbüros und Uni-Instituten verschwanden.
Und weil man diesem ausgegebenen Geld der Steuerzahler nicht noch mehr Geld der Industriebetriebe hinterwerfen will bleibt alles wie es ist. Jahre später und etliche Steuermillionen ärmer ist der NRW-Umweltminister jetzt ein Grüner, die Situation an der Itter aber eigentlich immer noch die gleiche: Das PFT bleibt drin im Bach und die Unternehmen reiben sich die Hände. Man könnte schäumen vor Wut.